XBOD - Die Geschichte des Erik Buell
Nur wenige Motorräder tragen unverkennbar die Handschrift ihrer Schöpfer. Die meisten leiden unter Kompromissen und sind einzig und allein auf den größtmöglichen Markterfolg ausgerichtet.
Buell Motorräder sind anders – und sie sind es immer schon gewesen. Sie tragen nicht nur den Namen ihres Schöpfers, sie sind geprägt vom Geist eines innovativen Designers, Konstrukteurs und Enthusiasten. Vor 20 Jahren schuf Erik Buell sein erstes Motorrad. Bis heute hat er sich auf keinen Kompromiss eingelassen. Als Gründer, Geschäftsführer und verantwortlicher Konstrukteur von Buell Motorcycles ist er mit seinem Unternehmen untrennbar verbunden.
Dies ist seine Geschichte
Der konstruktive Ansatz und die Technologie der neuesten Buells – der Rahmen als Kraftstofftank, die Schwinge als Öltank, die am äußeren Speichenende befestigte Bremsscheibe, die radikale Fahrwerksgeometrie – münden in vielerlei Hinsicht in Quantensprüngen bei den Handling-Eigenschaften und der Agilität. Doch die aktuellen Modelle Firebolt und Lightning bilden den vorläufigen Höhepunkt einer beinahe zwei Jahrzehnte währenden gemeinsamen Anstrengung Dutzender, wenn nicht hunderter Menschen. Ich war dabei lediglich der Glückspilz, der seinen Traum verwirklichen und die anderen leiten durfte.
Aber es war nicht immer so. Am Anfang war ich nur ein Motorsport-Enthusiast
unter vielen. Ich war ein Ein-Mann-Team, das seine eigenen Motorräder
reparierte und tunte – und in einigen Fällen fast komplett selbst
konstruierte.
Ich interessierte mich nicht einmal so sehr für die
Technik – ich wollte einfach schneller werden!
Nach dem Erwerb meines Maschinenbau-Diploms im Jahr 1979 galt dem Rennsport
mein Hauptinteresse. Aber jetzt musste ein Job her, um ihn zu finanzieren.
Also flog ich nach Milwaukee und überredete die Jungs von Harley-Davidson,
mich als frischgebackenen Test-Ingenieur einzustellen.
Damals stellte Harley keine Motorräder für den Straßenrennsport
her, und nach ein paar Jahren im Dienst von Harley-Davidson entwickelte
ich ein ziemlich schlechtes Gewissen. Zu einer Zeit, als es dem einzigen
amerikanischen Motorradhersteller geschäftlich nicht besonders gut
ging, fuhr ich Rennen auf Yamahas und Ducatis. Das brachte mich auf die
glorreiche Idee, in Zukunft mit völlig anderen Bikes auf dem Racetrack
anzutreten.
Mein erstes Projekt auf diesem Weg hatte europäische Wurzeln. Motor und Fahrwerk stammten von Barton, einem kleinen englischen Hersteller. Der Motor war brutal stark, aber bei weitem nicht zu Ende konstruiert. Als ich ihn das erste Mal anließ, flog er mir tatsächlich um die Ohren – beim Aufwärmen im Stand! Nachdem ich das Triebwerk endlich so weit verfeinert hatte, dass es eine gewisse Zeit lang durchhielt ohne zu explodieren, stellte ich fest, dass das Chassis damit überfordert war. Der Antrieb an sich bildete eine stimmige Konstruktion, die nur noch intensiven Feinschliff benötigte. Das Fahrwerk aber musste völlig neu entwickelt werden. So schritten Nachtschicht um Nachtschicht Entwurf und Fertigung voran. Statt Rennen zu fahren, war ich zum Hersteller geworden. Als Barton 1983 seine Pforten schloss, hatte ich mich so sehr hinein gesteigert, dass ich die verbliebenen Motorenteile und den Maschinenpark aufkaufte und Harley-Davidson verließ, um mein eigenes Unternehmen zu gründen.
Die erste offizielle Buell trug die Bezeichnung RW750. Es handelte sich um ein Zweitakt-Monster mit quadratischem Drehschieber-Vierzylinder, Leistung im Überfluss und einer sehr ungewöhnlich geformten, aerodynamischen Verkleidung. Das Kürzel RW stand für „Road Warrior“ ein Ausdruck meiner Selbstwahrnehmung als einsamer Streiter im Kampf gegen die Motorradgiganten dieser Welt. Und siehe da: Das unkonventionelle Bike ohne Sponsoren versprach, einige dieser Giganten hinter sich zu lassen.
Die RW750 mit beachtlichen 165 PS an der Kurbelwelle bei nur 137 Kilogramm Gewicht erzielte bei Tests in Talladega eine Spitzengeschwindigkeit von 178 Meilen pro Stunde (285 km/h). Wir hatten keine ausreichend lange Übersetzung mitgebracht, um das Bike korrekt auf die neue Niederquerschnittsbereifung abstimmen zu können – es kam bereits mit dieser Geschwindigkeit aus der vierten Kurve heraus auf eine lange Gerade. Die Verkleidung erwies sich als unglaublich wirkungsvoll. Ich hätte nie zu träumen gewagt, dass das Motorrad in so kurzer Zeit so schnell werden würde. Ich gewann einige Club-Wettbewerbe, doch nicht einmal mit eigens neu konstruierten Zylindern, Kolben, Kurbelwellen und Drehschiebern reichte die Standfestigkeit für längere Rennen aus. Dennoch arbeiteten wir unverdrossen weiter.
Doch just zu dem Zeitpunkt, als die RW750 endlich für den großen Coup bereit schien, änderte die American Motorcycle Association (AMA) ihr Regelwerk. Von einem Tag auf den anderen gab es keinen Markt mehr für die RW. Daher wurde nur ein einziges Modell der Serien-Ausführung verkauft. Die Harley-Davidson Archives Group konnte sie kürzlich erwerben, und eines schönen Tages werden wir sie restaurieren, so wie es einige Buell Mitarbeiter vor Jahren bereits mit dem ersten Vorserien-Modell gemacht haben.
Mein nächstes Projekt war die RR1000 Battletwin mit einem in Gummi gelagerten Harley-Davidson XR1000 Motor in einem steifen, leichten Fahrwerk. Es dürfte das erste Motorrad gewesen sein, das einige ungewöhnliche Konstruktionsmerkmale eigens zur Zentralisierung der Massen aufwies. Dazu zählte ein auf Zug belastetes Zentralfederbein, das die Schwinge gegen den Motor statt gegen den Rahmen abstützte und den Rahmen so von den Vibrationen entkoppelte. Die Anordnung des Stoßdämpfers unter dem Motor gestattete einen kurzen Radstand und trug gemeinsam mit dem gleichfalls dort montierten Schalldämpfer zur Zentralisierung der Massen bei.
Das war die erste typische Buell: ein völlig neuartiges Fahrwerk, die radikale Formel-1-Geometrie der RW, ein schwingungsgedämpft gelagerter XR1000 Motor und eine ebenfalls an die RW angelehnte, exotisch gestylte Verkleidung.
Einige Zeitschriften schrieben über dieses unkonventionelle neue Bike, und langsam gewann es an Beachtung. Im Modelljahr 1987-88 wurden 50 Stück davon verkauft, es folgten einige Rennsiege und sogar der Gewinn einer nationalen Meisterschaft. Doch prompt änderte die AMA ein weiteres Mal ihre Regeln und vernichtete damit auch dieses Modell. Ich fasste den Entschluss, mich in Zukunft ganz auf Straßenmotorräder zu konzentrieren.
Der neue Harley-Davidson Evolution Motor mit 1203 cm³ – vorgestellt im Jahr 1984 –schien mir dazu eine viel versprechende Ausgangsbasis zu sein. Die straßentaugliche RR1200 Battletwin mit diesem Motor wurde 1988 präsentiert und fand im Laufe des folgenden Jahres 65 Käufer.
Den nächsten Schritt nach vorn markierte die RS1200 Westwind, die ein Jahr später erschien. Es war die erste Buell ohne Vollverkleidung und mit Soziussitz –zugeschnitten auf Fahrer, die ein leistungsstarkes und dennoch komfortables Motorrad suchten. Ihr folgten 1990 die RS1200/5 Westwind mit 5-Gang-Getriebe und WP Upside-down-Gabel sowie 1991 die einsitzige Ausführung RSS1200 Westwind. Insgesamt konnten wir bis Ende 1993 etwa 325 von diesen Modellen absetzen.
Solche Verkaufserfolge hätte ich mir nie träumen lassen. Ich war gezwungen, über größere Fertigungskapazitäten nachzudenken. Mitten in der Kleinserien-Produktion der RR1000 verließen wir meine Werkstatt und bezogen ein kleines Werk in Mukwonago, Wisconsin. Bereits 1991 waren wir in der Lage, Verkleidungsteile nicht nur zu designen, sondern in einem eigenen Laminier- und Lackierzentrum selbst herzustellen, was zugleich Fortschritte bei der Qualitätssicherung und eine höhere Flexibilität mit sich brachte.
Zu diesem Zeitpunkt erregte Buell infolge des markanten Stylings und der schnörkellosen Linienführung endgültig die Aufmerksamkeit der Fachpresse. Doch wir waren nicht nur den Journalisten aufgefallen. Die Harley-Davidson Motor Company – mein früherer Arbeitgeber und langjähriger Motorenlieferant – hatte gleichfalls ein Auge auf unser junges Unternehmen geworfen. Wir dagegen benötigten Investitionskapital, und ich betrachtete ihr Interesse als einzigartige Gelegenheit.
Es kam zu einer Reihe von Gesprächen, die sich eher um Unternehmens-Philosophie und die Zukunft der Branche drehten als um konkrete Einzelheiten, und wir einigten uns auf eine Kooperation. 1993 schloss ich das Kapitel „Buell Motor Company“ ab und wagte den Neustart als „Buell Motorcycle Company“ mit einer 49-prozentigen Beteiligung von Harley-Davidson. Das erste Ziel bestand in der Konstruktion eines neuen Motorrads, angelehnt an die früheren Modelle, aber deutlich weiter entwickelt. Eine solide Finanzierung, verbunden mit der Unabhängigkeit meines 51-prozentigen Eigenanteils, bedeuteten eine vorteilhafte Verbindung der Vorzüge eines großen und eines kleinen (oder vielmehr: eines winzigen) Unternehmens ohne ihre jeweiligen Nachteile. Es war geplant, etwa 300 Einheiten jährlich zu fertigen, weit mehr als je zuvor bei Buell. Sollten wir eine Jahresproduktion von 1.000 Einheiten überschreiten, würden wir erneut verhandeln.
Unversehens war ich jetzt gezwungen, meine persönlichen Rennsport-Ambitionen endgültig zu begraben, und befand mich stattdessen am Ruder eines richtigen Herstellers, der das einzige echte amerikanische Sportmotorrad fertigte. Kein Zweifel – mit Harley-Davidson im Boot hatte sich Buell fest etabliert. Doch erst, als wir 1994 die neue Thunderbolt S2 vorstellten, kamen die Dinge wirklich ins Rollen.
Meiner Meinung nach gibt es zwei Sorten von Menschen auf der Welt: Die einen begegnen einer Herausforderung damit, herauszufinden, wie andere das gleiche Problem bereits vor ihnen gelöst haben. Die anderen aber fragen sich: „Gibt es eine neue Herangehensweise, an die vorher noch niemand gedacht hat?“
Man muss nicht lange überlegen – wir alle bei Buell fallen eindeutig in die zweite Kategorie. Seit der ersten Buell von 1983 waren wir bestrebt, wirklich eigenständige Motorräder hervorzubringen – „different in every sense“, wie es in der Broschüre hieß. Und auch als das Unternehmen immer weiter wuchs, blieb es mein fester Vorsatz, dies beizubehalten.
Sogar beim Zusammenschluss mit Harley-Davidson war ich bemüht, diese Vision nicht aufgeben zu müssen. Die Form eines Joint Venture bot uns eine solide Finanzierung ohne die Fesseln einer formellen Übernahme und damit die Freiheit, genau die Bikes zu bauen, von denen ich immer geträumt hatte.
Die Buell Thunderbolt S2 von 1994 bildete einen Meilenstein in der Unternehmensgeschichte. Es handelte sich um das erste gemeinsam mit Harley-Davidson produzierte Modell und das erste auf breiter Basis verfügbare echte amerikanische Sportmotorrad. Verbraucher und Medien überschütteten sie mit Lob, und das Magazin Rider verlieh ihr die Auszeichnung „Top Innovation“.
Mit neu gestylten Verkleidungsteilen und optimierten Federelementen sprach die S2 Harley Fahrer an, die sich ein sportlicheres Motorrad wünschten. Sie war letztendlich erfolgreich, doch sie bildete auch eine Herausforderung, denn wir mussten mit diesem Motorrad eine sehr spezielle Kundenschicht ansprechen. Ihr einzigartiges Styling orientierte sich eher an den Linien klassischer Sportwagen als denen irgend eines anderen Motorrads.
1995 folgte der Sporttourer S2T, von dem über 1.000 Stück verkauft werden konnten. Diese Thunderbolt Modelle hatten Buell bereits einen sehr guten Ruf verschafft, doch die ebenfalls 1995 vorgestellte Lightning S1 – im Handel ab 1996 – erreichte noch mehr. Mit radikalem Styling und Mini-Verkleidung war die Lightning der erste serienmäßige Streetfighter.
Zu ihren Styling-Elementen zählten ein freigestellter Rahmen, ein Sportsitz und eine kurze, steil angestellte Heckpartie, die dem Bike einen kraftvollen „Breitreifen“-Look verlieh. Wie schon bei der Thunderbolt war der Motor vom Rahmen schwingungsentkoppelt. Die Federung, das Abgassystem und der 1.199 cm³-Motor hatten wir im Hinblick auf eine weitere Gewichtsreduzierung und Zentralisierung der Massen nochmals intensiv überarbeitet.
Während die Thunderbolt S2 eine weiche, sinnlich fließende Linienführung aufwies, wollten wir mit der Lightning S1 die Intensität der Buell Experience auch optisch zum Ausdruck bringen. Die Branche war schockiert, und den Kunden wurde klar: Wir hatten uns nicht bändigen lassen. Die Lightning gewann die verschiedensten Preise und Auszeichnungen. Dieses Motorrad ließ sich von niemandem in eine Schublade zwängen.
Zum Modelljahr 1997 überarbeiteten wir die Thunderbolt S2 und S2T, die jetzt S3 und S3T hießen. Die drei Modelle Lightning S1, S3 und S3T fanden über 2.000 Käufer. Im Jahr 1997 selbst erweiterten wir unsere Modellpalette mit der Cyclone M2. Trotz ihrer entspannteren Sitzposition war die Cyclone eine echte Buell, mit aggressivem Naked-Bike-Styling und einer neuen Gabel von Showa. Sie trug zu einem weiteren Absatzrekord bei und hob die Verkaufszahlen auf über 3.000 Einheiten.
Als nächstes folgte 1998 die White Lightning S1W, ein Sondermodell mit dem lange erwarteten Thunderstorm Motor. Dessen neu konstruierte Zylinderköpfe ermöglichten einen besonders hohen Gasdurchsatz; dank neu geformter Brennkammern, größeren Ventilen und einer neuen Kanalführung erreichte er eine fantastische Spitzenleistung von 88 PS. Das Motorrad selbst sah der Lightning S1 ähnlich, besaß aber mehrere einzigartige Merkmale.
Es machte wirklich Spaß, die Motoringenieure von Harley-Davidson mit der Konzeption dieses Triebwerks abzuhängen. Das Ergebnis unserer Arbeit begann die Wahrnehmung unserer Motoren in der Öffentlichkeit gründlich zu verändern.
Auch die 1998er Thunderbolt erhielt den Thunderstorm Motor, und die Buell Modellpalette verfügte jetzt über mehr Power als je zuvor.
Doch mit dem steigenden Absatz musste sich auch das Unternehmen selbst verändern. Wir hatten die Haupt-Fertigungsstätte bereits von Mukwonago nach East Troy in Wisconsin verlegt, wo sie sich noch heute befindet. 1999 entstand gleich nebenan ein Forschungs- und Entwicklungszentrum.
Im Februar 1998 verkaufte ich dann weitere 49 Prozent des Unternehmens an Harley-Davidson, so dass die Motor Company eine Aktienmehrheit von 98 Prozent an Buell gewann. Es entstand die Stelle eines nur dem neuen Vorstandsvorsitzenden verantwortlichen Chefkonstrukteurs, und ich selbst wurde Technischer Leiter. Dadurch wollte ich mehr Freiraum gewinnen, um mich meinen Motorrad-Visionen widmen zu können, statt mich so intensiv wie bisher mit dem Tagesgeschäft befassen zu müssen.
Das Unternehmen wuchs schneller als je zuvor, doch unsere Philosophie blieb die gleiche: Wir waren immer noch ständig bestrebt, konstruktives Neuland zu betreten und den Markt zu erweitern. Zum Modelljahr 1999 wurden die Modelle Lightning und Cyclone umfassend modifiziert, und wir führten bei den Modellen X1, S3 und S3T das Einspritzsystem Dynamic Digital Fuel Injection (DDFI) ein. Zudem erhielten die neuen Buells eine voll einstellbare Hinterradfederung von Showa. Die Modelle Thunderbolt S3 und Lightning X1 bekamen darüber hinaus die bereits von der Cyclone bekannte Showa Gabel. Diese Änderungen kamen gut an. 1999 fanden über 7.000 Buells einen Käufer, und der gute Ruf des Unternehmens wuchs stetig.
Doch die Einführung des vielleicht wichtigsten Buell Modells stand noch bevor. Jeff Bleustein und andere führende Mitglieder der Vorstandsetage von Harley-Davidson planten eine Investition in die Zukunft: Sie wollten ein Einsteigermodell. Damit rannten sie bei mir offene Türen ein, denn ein Blick auf die amerikanische Motorradlandschaft genügte, um zu erkennen, wo die größte Lücke klaffte: Es gab kein interessantes, einfach zu fahrendes und dennoch sportlich orientiertes Motorrad für Einsteiger.
Es wäre natürlich am Leichtesten gewesen, ein bereits vorhandenes Modell einfach abzuändern. Doch ich glaube, wir haben noch niemals die einfachste Möglichkeit gewählt. Also entschieden wir uns für eine neue Konstruktion. Das Ergebnis war die Buell Blast, ein Motorrad zu einem attraktiven Preis, das seinen Fahrern dank ausreichend „Biss“ und hervorragenden Handling-Eigenschaften einen echten Vorgeschmack auf das pure Sportbike-Fahrerlebnis verschaffte. Da ich mich nicht mehr um die Fertigung der Serienmodelle kümmern musste, konnte ich mich mit einem kleinen Team exklusiv der Konstruktion der Blast widmen – auf eine völlig neue Art und Weise. Bei unserer neuen Herangehensweise berücksichtigten wir von vorn herein eine Fertigung in höheren Stückzahlen und verwendeten modernste Konstruktionstechniken, um ein Höchstmaß an Qualität und Zuverlässigkeit zu erzielen.
Die Blast kam rechtzeitig zum Modelljahr 2000. Sie besaß einen luftgekühlten Einzylinder mit 492 cm³, ein automatisches Kaltstartsystem und eine besonders leichtgängige Kupplung. Dank durchgefärbter Kunststoffteile stellten kleinere Schrammen und Kratzer kein großes Malheur dar.
Die Verkaufszahlen explodierten und die Blast wurde mit Lob überhäuft. Die Zeitschrift Cycle World nahm sie in ihre Liste der „Besten Zehn“ auf, und sie war im Rennen um die Auszeichnung zum „Motorrad des Jahres“ der Zeitschrift Motorcyclist. Dank der Blast überschritt der Absatz von Buell im Jahr 2000 erstmals 9.000 Einheiten.
Mit einem Wort: Die Blast wurde in den USA zum Hit – und machte den Weg frei für den nächsten großen Schritt: Das ultimative und völlig neuartige amerikanische Sportmotorrad. Zu diesem Zeitpunkt war ich wieder allein für alle Konstruktionsaufgaben verantwortlich und stellte ein Team zusammen, das in der Lage war, die modernsten technischen und stilistischen Konzepte mit den Realitäten von Fertigung, Erprobung und Qualitätssicherung in Einklang zu bringen.
Viele Hersteller setzen allein auf Höchstgeschwindigkeit und schiere
Kraft. Meine Idealvorstellung dagegen bestand in einem Motorrad, das mit
seinem Fahrer zu einer Einheit verschmilzt – ein ganzheitliches Fahrerlebnis,
eine intuitive Fusion von Fahrer, Maschine und Straße.
Der Traum wurde Wirklichkeit: Er hieß Firebolt XB9R.
Das Entwicklungsteam machte Gebrauch von den neuesten Fertigungs- und Erprobungstechniken sowie von selbst entwickelten Computer gestützten Verfahren. Das Ergebnis war ein äußerst beeindruckendes Motorrad. Das Ziel wurde kompromisslos umgesetzt.
Eine Vielzahl erstaunlicher und zugleich absolut praxistauglicher Innovationen gelangten dabei zur Serienreife. So dient der extrem leichte Rahmen zugleich als Kraftstofftank, die Schwinge als Ölreservoir. Ein Radstand von 1.320 Millimeter, 21 Grad Lenkkopfwinkel und 84 Millimeter Nachlauf – diese Fahrwerksgeometrie lässt eher eine exotische Grand-Prix-Rennmaschine vermuten als ein mittleres oder schweres Sportmotorrad. Die revolutionäre Zero Torsion Load (ZTL) Bremse vorn mit am äußeren Speichenende befestigter Bremsscheibe gestattet ein deutlich leichteres Vorderrad, da dessen Speichen keine Torsionskräfte mehr bewältigen müssen. Oder wie meine Mitarbeiter gerne sagen: „Wir haben sogar das Rad neu erfunden!“
Die Synthese all dieser Merkmale trägt dazu bei, den Schwerpunkt abzusenken, die ungefederten Massen zu minimieren, die Massen eng um den Schwerpunkt zu gruppieren und eine optimale Fahrwerkssteifigkeit zu gewährleisten. Die Handling-Eigenschaften der Firebolt sind daher ohne Übertreibung als außergewöhnlich zu bezeichnen. Dank des genialen Lufteinlass- und Luftkühlungssystems erreicht der 984 cm³ V-Twin eine Spitzenleistung von kerngesunden 86 PS bei 5.600 U/min. Doch was diese Maschine wirklich leistet, erschließt sich erst in der Mühelosigkeit, mit der sie auch die anspruchsvollsten Kurven bewältigt.
In diesem Jahr schließlich gesellte sich die XB9S zur Firebolt hinzu. Trotz zahlreicher technischer Gemeinsamkeiten wie etwa dem Motor, dem Rahmen, der Schwinge und dem kurzen Radstand besitzt sie diverse eigenständige und interessante Merkmale. Das Heck ist kurz, tritt optisch markant hervor und verstellt kaum den Blick auf den hinteren 180er Dunlop.
Inzwischen haben Sie vermutlich bereits von der Firebolt XB12R und der Lightning XB12S gehört. Diese beiden neuen begeisternden Motorräder tragen das Grundkonzept einen Schritt weiter: Sie besitzen einen Motor mit 1.203 ccm Hubraum, noch mehr Drehmoment und über 100 PS.
Was hält die Zukunft für Buell bereit? Nicht einmal ich kann das mit Sicherheit sagen. Doch auf einige Dinge können Sie sich verlassen: Die Buell Motorcycle Company wird auch weiterhin auf den Gebieten der Konstruktion und der Fahreigenschaften von Sportmotorrädern Neuland betreten. Wir werden uns auch in Zukunft der Herausforderung stellen, neue und unkonventionelle Lösungen zu suchen. Und: Buell Motorräder werden immer anders sein – in jeder Hinsicht. Denn auch nach 20 Jahren kann ich mir nichts Besseres vorstellen.”
Erik Buell, East Troy, WI, USA
Im August 2003